Einleitung
Seit dem Sieg der Islamischen Revolution im Jahr 1979 ist die iranische Gesellschaft tiefgreifenden politischen und sozialen Veränderungen ausgesetzt. Die Revolution, die mit den Parolen „Unabhängigkeit, Freiheit, Islamische Republik“ begann, versprach eine Ära der Gerechtigkeit und Selbstbestimmung. Doch innerhalb weniger Monate verwandelte sich die Vision von Freiheit in ein System religiöser Kontrolle, politischer Unterdrückung und systematischer Einschränkung der Grundrechte.
In den folgenden vier Jahrzehnten hat die Islamische Republik Iran immer wieder bewiesen, dass sie Freiheitsrechte – wie Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit und Frauenrechte – nicht als universelle Menschenrechte, sondern als Bedrohung ihrer ideologischen Ordnung betrachtet. Dieses System hat durch Krieg, wirtschaftliche Krisen und sozialen Wandel hindurch seine repressiven Strukturen erhalten.
Dieser Artikel zeichnet den historischen Verlauf der Verletzung von Freiheitsrechten in Iran von 1979 bis heute nach – von den revolutionären Säuberungen über die Studentenbewegungen bis zu den jüngsten Protesten unter dem Motto „Frau, Leben, Freiheit“.
🟧 1979–1989: Revolution, Krieg und Unterdrückung
Nach dem Sturz des Schah-Regimes herrschte zunächst Euphorie. Dutzende Parteien, Zeitungen und Bewegungen entstanden. Doch sehr schnell begann das neue Regime, alle oppositionellen Stimmen zu verbieten.
Bereits 1979 wurden die Revolutionsgerichte gegründet – Sondertribunale, die ohne faire Verfahren Todesurteile verhängten. Hunderte politische Gegner, Geistliche, Intellektuelle und Frauenaktivistinnen wurden hingerichtet oder inhaftiert.
Frauen, die gegen den Kopftuchzwang protestierten, wurden auf den Straßen angegriffen. 1980 wurde der Schleier offiziell Pflicht.
Die Pressefreiheit verschwand fast vollständig: Zeitungen wie Ayandegan oder Ettelaat wurden geschlossen, viele Journalisten flohen ins Ausland.
Mit dem Beginn des Iran-Irak-Krieges 1980 nutzte der Staat die militärische Bedrohung, um jede Kritik als „Verrat“ zu brandmarken. Oppositionelle Gruppen wie die Volksmudschahedin, die Fedajin oder die Tudeh-Partei wurden verboten. Zehntausende Menschen verschwanden in Gefängnissen wie Evin oder Gohardasht.
1988 fand das berüchtigte Massaker an politischen Gefangenen statt: Tausende Menschen wurden in wenigen Wochen hingerichtet, weil sie ihre politischen Überzeugungen nicht widerriefen. Dieses Ereignis gilt als Symbol für die absolute Verweigerung von Freiheit und Gerechtigkeit im Iran der 1980er Jahre.
Am Ende dieses Jahrzehnts war der Traum von Freiheit ausgelöscht – das Land befand sich in einem Zustand totaler Kontrolle durch Religion, Armee und Ideologie.
🟧 1990–2000: Wiederaufbau und kulturelle Kontrolle
Nach dem Tod von Ayatollah Khomeini 1989 begann unter Ayatollah Khamenei und Präsident Rafsandschani eine Phase wirtschaftlicher Liberalisierung – jedoch ohne politische Öffnung.
Der Staat wollte Modernisierung, aber keine Freiheit.
Unabhängige Medien wie Salam und Kiyan versuchten, kritische Stimmen zu artikulieren, wurden aber regelmäßig zensiert oder geschlossen.
Die Kettenmorde Ende der 1990er Jahre – die Ermordung von Schriftstellern und Intellektuellen wie Dariush Forouhar und Parvaneh Eskandari – zeigten, dass die Geheimdienste jede Form von abweichender Meinung als Gefahr betrachteten.
In dieser Zeit blieb die gesellschaftliche Kontrolle allgegenwärtig: Frauen unterlagen strengen Bekleidungsvorschriften, religiöse Minderheiten wie Bahá’í und Sufis wurden verfolgt, und Universitäten standen unter ideologischer Aufsicht.
Obwohl sich der wirtschaftliche Alltag langsam stabilisierte, blieb die politische Luft stickig – Freiheit war nur ein Wort, das nicht ausgesprochen werden durfte.
🟧 2000–2010: Die Reformära und die Rückkehr der Repression
Mit der Wahl von Mohammad Khatami 1997 kehrte Hoffnung zurück. Sein Slogan „Zivilgesellschaft und Rechtsstaat“ elektrisierte junge Menschen, Frauen und Intellektuelle. Zeitungen, NGOs und kulturelle Foren entstanden, der öffentliche Diskurs belebte sich.
Doch die konservativen Machtzentren blockierten jede tiefgreifende Veränderung. Der Wächterrat, die Justiz und die Revolutionsgarden betrachteten die Reformbewegung als Bedrohung.
Im Juli 1999 kam es nach der Schließung der Zeitung Salam zu massiven Studentenprotesten in Teheran. Die Sicherheitskräfte stürmten Schlafsäle, verletzten und verhafteten Dutzende. Dieses Ereignis – der 18. Tir – war das erste große Aufbegehren einer Generation, die Freiheit nicht als westliches Konzept, sondern als menschliches Recht verstand.
Als Mahmud Ahmadinedschad 2005 Präsident wurde, verschärfte sich der autoritäre Kurs. Frauenrechtsgruppen, Journalisten und Blogger wurden verhaftet. Die Kampagne für eine Million Unterschriften gegen Diskriminierung wurde verboten.
Der Staat begann, das Internet massiv zu zensieren: Webseiten wurden blockiert, soziale Medien wie Facebook und YouTube gesperrt.
🟧 2009–2019: Protest, digitale Kontrolle und gesellschaftliche Spaltung
Die Präsidentschaftswahl 2009 führte zur Grünen Bewegung – der größten Protestwelle seit 1979. Millionen Menschen forderten freie Wahlen und riefen: „Wo ist meine Stimme?“
Das Regime antwortete mit Gewalt. Dutzende Menschen wurden getötet, Tausende inhaftiert. Die Oppositionsführer Mir Hossein Mousavi, Mehdi Karroubi und Zahra Rahnavard stehen bis heute unter Hausarrest.
Die folgenden Jahre brachten neue Formen der Überwachung: Online-Aktivisten wurden verhaftet, Internetcafés überwacht, und der Staat errichtete eine „Nationale Firewall“.
Freiheit wurde nicht nur auf der Straße, sondern auch im digitalen Raum kriminalisiert.
Im Dezember 2017 und November 2019 kam es erneut zu landesweiten Protesten – diesmal gegen Armut, Korruption und Repression. Die Sicherheitskräfte erschossen Hunderte Menschen und unterbrachen das Internet tagelang.
🟧 2020 bis heute: „Frau, Leben, Freiheit“
Die Tötung von Mahsa (Jina) Amini im September 2022 löste die größten Proteste in der Geschichte der Islamischen Republik aus. Frauen verbrannten Kopftücher, Jugendliche forderten ein Ende des Regimes.
Der Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ wurde zum Symbol eines Freiheitskampfes, der über Geschlechter- und Klassengrenzen hinausging.
Die Antwort des Staates war erneut brutal: Hunderte wurden getötet, Tausende verhaftet, dutzende Demonstranten zum Tode verurteilt.
Doch trotz dieser Gewalt hat sich etwas verändert: Die Angst, jahrzehntelang das wichtigste Werkzeug der Macht, verliert an Kraft. Eine neue Generation fordert laut und furchtlos ihre Rechte.
🟧 Fazit und Ausblick
Seit über vier Jahrzehnten zeigt sich ein klares Muster: Jede Öffnung wird durch eine Welle der Unterdrückung beendet.
Von der Revolution 1979 bis zu den Protesten 2022 hat sich die iranische Regierung auf drei Säulen der Macht gestützt:
1. Ideologische Legitimation durch Religion,
2. Sicherheitsapparat zur Kontrolle der Gesellschaft,
3. Zensur und Angst als Mittel zur Machterhaltung.
Doch je stärker der Staat versucht, die Freiheit zu ersticken, desto sichtbarer wird der Wunsch der Menschen nach ihr. Besonders Frauen, junge Menschen und ethnische Minderheiten verkörpern heute den Mut, der für eine demokratische Zukunft notwendig ist.
Die iranische Freiheitsbewegung ist noch nicht am Ziel – aber sie hat das Schweigen gebrochen. Die Welt hört ihre Stimme.
🟦 Quellen (APA-Stil)
Internationale Organisationen
Amnesty International. (2009). Iran: 30 Years of Repression. London: Amnesty Publications.
Human Rights Watch. (2024). Iran: Events of 2023. World Report 2024.
Freedom House. (2024). Freedom in the World: Iran. Washington, D.C.
Reporters Without Borders (RSF). (2024). World Press Freedom Index – Iran. Paris.
United Nations Human Rights Council. (2023). Report of the Special Rapporteur on Human Rights in Iran. Geneva.
Center for Human Rights in Iran. (2022). The Cost of Defending Freedom: Human Rights Defenders in Iran.
Committee to Protect Journalists. (2023). Iran Country Profile.
Wissenschaftliche Quellen
Abrahamian, E. (1999). Tortured Confessions: Prisons and Public Recantations in Modern Iran. University of California Press.
Axworthy, M. (2013). Revolutionary Iran: A History of the Islamic Republic. Oxford University Press.
Bashiriyeh, H. (1989). The State and Revolution in Iran. St. Martin’s Press.
Keddie, N. R. (2003). Modern Iran: Roots and Results of Revolution. Yale University Press.
Vakil, S. (2011). Women and Politics in the Islamic Republic of Iran. Continuum.
Boroumand, L. & Boroumand, R. (2002). Terror, Islam, and Democracy. Journal of Democracy, 13(2), 5–20.
Persische Quellen
بشیریه، حسین. (۱۳۷۷). جامعه مدنی و توسعه سیاسی در ایران. تهران: نشر نی.
احمدی، حمید. (۱۳۸۳). ایدئولوژی و انقلاب در ایران. مرکز مطالعات و تحقیقات.
هرانا (HRANA). (۱۴۰۲). گزارش سالانه نقض حقوق بشر در ایران.

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