🔍 Einleitung
16.7.2025
Psychische Störungen gehören heute zu den größten Herausforderungen der öffentlichen Gesundheit im Iran. Neue Studien zeigen, dass mehr als ein Viertel der iranischen Bevölkerung an einer Form psychischer Erkrankung leidet – in einigen Regionen liegt diese Quote sogar bei über 35 %. Dieser Artikel untersucht umfassend die psychische Gesundheitskrise im Iran und analysiert mit einem Fokus auf politische, strukturelle und sozialstaatliche Aspekte deren Ursachen, Folgen und mögliche Lösungswege auf Basis verlässlicher Daten und wissenschaftlicher Quellen.
🧠 Teil 1: Der Stand der psychischen Gesundheit im Iran – Zahlen und Statistiken
📊 1. Verbreitung psychischer Störungen in der Allgemeinbevölkerung
Laut der jüngsten Erhebung des iranischen Gesundheitsministeriums (Tasnim News, 2024) leiden rund 25 % der erwachsenen Bevölkerung an psychischen Störungen, in Teheran sind es sogar 37 %. Dazu zählen Angststörungen, Depressionen, Schlafstörungen und Psychosen.
In benachteiligten Provinzen wie Sistan-Belutschistan und Ilam liegt die Depressionsrate bei bis zu 59 % (Sadeghi et al., 2019).
Eine Studie der Universität für medizinische Wissenschaften Teheran aus dem Jahr 2021 zeigt, dass 45 % der Frauen und 28 % der Männer in Teheran Symptome psychischer Störungen aufweisen.
📈 2. Zunehmender Trend über die letzten Jahrzehnte
Langzeitdaten zeigen:
Die Prävalenz psychischer Störungen stieg von 21 % im Jahr 1999 auf über 31 % im Jahr 2015 (Sharifi et al., 2015).
2021 schätzte das Forschungszentrum für Gesundheit, dass mehr als 17 Millionen Iraner psychiatrische Hilfe benötigen (WHO Mental Health Atlas, 2022).
🏛️ Teil 2: Strukturelle Ursachen und staatliches Versagen
⚠️ 1. Wirtschaftliche Lage und weitverbreitete Armut
Die hohe Inflation (über 40 %), zweistellige Arbeitslosigkeit und Währungsinstabilität in den letzten Jahren haben den psychischen Druck auf die Bevölkerung drastisch erhöht. Armut und die Unfähigkeit, den Lebensunterhalt zu sichern, führen zu kollektiver Angst und Hoffnungslosigkeit.
📉 2. Mangelhafte staatliche Unterstützungsstrukturen
Im Iran gibt es lediglich 97 aktive Gemeindezentren für psychische Gesundheit („Seraj-Zentren“) für über 88 Millionen Einwohner – das entspricht einem Zentrum pro 900.000 Menschen (Ministry of Health, 2023).
Im Land arbeiten weniger als 1.000 Psychiater und unter 6.000 Psychologen – weit unter dem internationalen Standard (World Bank, 2020).
🚫 3. Fehlende Aufklärung und kulturelles Tabu
Mehr als 60 % der Menschen mit psychischen Problemen suchen laut Studien nie professionelle Hilfe auf. Der Hauptgrund: soziale Stigmatisierung, Angst vor Verurteilung und fehlende Aufklärung über psychische Erkrankungen (Iranian Psychiatric Association, 2022).
💸 Teil 3: Gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen
💰 1. Direkte und indirekte finanzielle Belastung
Familien mit einem psychisch erkrankten Mitglied geben durchschnittlich über 30 % ihres monatlichen Einkommens für Behandlungen aus – inklusive Medikamente, Beratungen und private Klinikaufenthalte (Sharifi et al., 2015).
🧨 2. Zunahme sozialer Probleme
Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und Problemen wie häuslicher Gewalt, Scheidung, Drogenabhängigkeit und Suizid. In westlichen Provinzen des Landes steigt die Zahl der Selbstverbrennungen von Frauen als Ausdruck psychischer und gesellschaftlicher Verzweiflung (HRANA, 2022).
📉 3. Geringe Produktivität und Auswanderung
Chronischer Stress, Angst und soziale Unsicherheit senken die Arbeitsmotivation und führen zur Flucht von Fachkräften. Laut dem Statistikzentrum Iran ist die Abwanderung von Hochqualifizierten in den letzten Jahren um 40 % gestiegen – ein Hauptgrund ist der Mangel an psychischer Sicherheit.
🛠️ Teil 4: Regierungspolitik und Herausforderungen
✅ 1. Eingeleitete Maßnahmen
Einrichtung der telefonischen Beratungsdienste 1480 und 4030.
Gründung von „Seraj“-Zentren in 24 Provinzen.
Ausbildung von Psychologen in lokalen Gesundheitszentren.
❌ 2. Schwere Defizite
Der Anteil des Budgets für psychische Gesundheit betrug 2023 weniger als 0,6 % des Gesamtgesundheitsbudgets.
Es gibt nur 1,5 psychiatrische Betten pro 100.000 Einwohner – der weltweite Durchschnitt liegt bei etwa 7.
Kein funktionierendes Überweisungssystem zwischen Grundversorgung und Fachärzten.
🔚 Fazit
Die psychische Gesundheitskrise im Iran ist kein rein medizinisches Problem, sondern ein tiefgreifendes politisch-soziales Phänomen. Ökonomische Ungleichheit, staatliches Missmanagement und die Kultur des Schweigens tragen zur Verschärfung der Situation bei. Eine wirksame Lösung erfordert einen interdisziplinären, strukturellen und politischen Ansatz – von wirtschaftlichen Reformen bis zur Umgestaltung des psychotherapeutischen Versorgungssystems.
📚 Quellen
1. Sharifi V, Amin-Esmaeili M, Hajebi A, et al. (2015). „Twelve-month prevalence and severity of DSM-IV disorders in the Iranian adult population.“ BMC Psychiatry.
https://bmcpsychology.biomedcentral.com/articles/10.1186/s40359-025-02384-x
2. Gesundheitsministerium Iran, offizieller Bericht zur psychischen Gesundheit 1403 (2024).
3. Tasnim News Agency, „25 % der Iraner leiden an psychischen Störungen“, 2024.
https://www.tasnimnews.com
4. WHO Mental Health Atlas, 2022.
5. Iranian Psychiatric Association, Jahresbericht 2022.
6. HRANA – Human Rights Activists News Agency, „Selbstverbrennungen in Kurdistan“, 2022.
7. Statistikzentrum Iran, „Bericht zur Auswanderung von Fachkräften“, 2023.
8. World Bank, Health Workforce Indicators, 2020.
9. Etiad.org, „Analyse psychischer Störungen im Iran“.
https://etiad.org
10. Independent Persian, „Strukturelle und soziale Depression im Iran“, 2023.
https://independentpersian.com
هیچ نظری موجود نیست:
ارسال یک نظر